Persönlichkeitsstörungen

Von Persönlichkeitsstörungen spricht man, wenn eine Person zeitlich überdauernde Persönlichkeitszüge hat, die deutlich von kulturell erwarteten und akzeptierten Normen abweichen. Weiters ist das Verhalten der betroffenen Personen unflexibel, unangepasst und oft auch unzweckmäßig und verursacht entweder bei der Person selbst oder bei der Umgebung einen Leidensdruck.

In den internationalen diagnostischen Manualen unterscheidet man verschiedene Typen von Persönlichkeitsstörungen wie z.B paranoide, zwanghafte, narzisstische oder Borderline-Persönlichkeitsstörung. Oft ist die Unterscheidung aber nicht so klar, und es kann Überschneidungen geben.

Dem trägt auch die neue Diagnostik im ICD-11 Rechnung: Hier geht man von einer Typen-Zuordnung weg (mit Ausnahme der Borderline Persnlichkeitsstörung, die als Diagnose erhalten bleibt) und geht zu einer Beschreibung der Persönlichkeit anhand fünf übergeordneten prominenten Persönlichkeitsmerkmalen über (Negative Affektivität, Distanziertheit, Dissozialität, Enthemmung und Anankasmus).

Exemplarisch stelle ich zwei Persönlichkeitsstörungen dar: Die Borderline- Persönlichkeitsstörung und die narzisstische Persönlichkeitsstörung.

Borderline-Persönlichkeitsstörung:

Menschen mit einer Borderline Störung leiden zumeist unter heftigen Gefühlsschwankungen und rasch autretenden, starken Anspannungszuständen. Diese sind sehr unangenehm und schwer zu ertragen, daher versuchen Betroffene, die Anspannung durch unterschiedliche Maßnahmen zu reduzieren, mit denen sie sich jedoch häufig schaden. Dazu gehören z.B. Selbstverletzungen und andere impulsive Verhaltensweisen (Suizidversuche, Essanfälle, Alkoholexzesse, Risikoverhalten usw.).
Ein weiteres Kernsymptom sind Schwierigkeiten in Beziehungen zu anderen: Betroffene neigen manchmal dazu, sehr intensive Beziehungen einzugehen, wobei es durch die starken Gefühlsschwankungen zu vielen Höhen und Tiefen kommen kann. Häufigen Konflikte mit Wutausbrüchen, Drohungen und Verletzungen können die Folgen sein. Dahinter steht eine oft tiefe verwurzelte Angst, verlassen zu werden, die mit einem schwachen Selbstwertgefühl, Unsicherheiten über die eigene Identität und einem quälenden Gefühl der inneren Leere zusammenhängt. Viele Betroffene haben traumatische Ereignisse erlebt, die mit wiederholten belastenden Erinnerungen und Flashbacks verbunden sein können. Häufig leiden Betroffene unter wiederkehrenden Suizidgedanken sowie unter starken sozialen Ängsten, Depressionen, Essstörungen, Suchtproblemen, Aufmerksamkeitsstörungen und dissoziativen Symptomen (kurzfristiger Bewusstseinsverlust unter hoher Anspannung).

Bei der Therapie der Borderline Persönlichkeitsstörung gibt es innerhalb der Verhaltenstherapie verschiedene Ansätze, wie zum Beispiel Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT), Schematherapie und Akzeptanz- und Commitment- Therapie (ACT).

Allen gemeinsam ist eine stärkere Bewusstmachung der dysfunktionaler Muster, das Erlernen eines Umgangs damit und das Einüben von neuen Verhaltensweisen. Diese neuen Verhaltensweisen können selbstschädigendes Verhalten ersetzen (z.B eine Übung aus dem Skills-Training bei der DBT: eine kalte Dusche nehmen anstatt sich zu schneiden) oder eine Annäherung an eigene Werte und Ziele bewirken (z.B das Zulassen von Nähe und der damit belastenden Gefühle, um dem Ziel eine Beziehung führen zu können näherzukommen).

Narzisstische Persönlichkeitsstörung:

Charakteristisch für die narzisstische Persönlichkeitsstörung ist die grundlegende Annahme, dass ich meine „Seins-Berechtigung“ ständig durch Herausragendes und Überdurchschnittlichkeit beweisen muss. Oft ist dieser Anspruch den Betroffenen gar nicht so bewusst, was sie aber spüren, ist Erschöpfung, Unruhe und Getriebenheit, diesen Ansprüchen auch gerecht zu werden. Die Auswirkungen daraus können unterschiedliche sein: Einerseits kann die Person durch leistungsbetontes, konkurrenzorientiertes und manchmal rücksichtlose Verhalten eine gesellschaftliche Spitzenposition anstreben und auch erreichen. Andererseits kann die Person sich auch in eine grandiose Phantasiewelt begeben, reale Herausforderungen eher vermeiden, und mit Abwertungen gegen andere ihren eigenen Überlegenheitsanspruch absichern.

Das Leiden der Personen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung wird dann auch oft durch diesen hohen Anspruch überdurchschnittlich oder gar der/die Beste zu sein verursacht: der ständige Kampf nicht in die die Normalität „abzurutschen“ und die permanente kognitive Absicherung der eigenen Sonderposition (z.B. „Ich bin vielleicht beruflich nicht so erfolgreich, aber ich würde es aufgrund meiner Besonderheit viel mehr verdienen als die anderen, unser System ist einfach korrupt und verkommen“) können belastende Folgen wie Erschöpfung, Depression, Verbitterung, Vermeidung von wichtigen Lebensbereichen und Einsamkeit mit sich bringen.

In der Therapie wird es vor allem darum gehen, sich diese Anspruchshaltung an sich bewusst zu machen und auch die Ursprünge, die meist in der Kindheit und Jugend liegen, zu beleuchten.

Ziel ist, einen weniger strengen Umgang mit sich zu finden, wie z.B: „Ich darf auch immer wieder ganz normal und durchschnittlich sein, wie alle anderen Menschen auch, das ist nicht gefährlich und ich möchte mich damit selbst annehmen“.