Schmerzstörungen

Was haben chronische Schmerzen mit Psychotherapie zu tun? Im traditionellen Verständnis wird Schmerz als direkter Ausdruck einer organischen Schädigung verstanden. In den letzten Jahrzehnten gibt es jedoch eine Abkehr von dieser eindimensionalen Sichtweise zugunsten einer Auffassung von Schmerz als psychophysisches Gesamtereignis. Neben körperlichen Komponenten sind auch kognitive Bewertungen, Gefühle und Verhaltensreaktionen an der Entstehung und Aufrechterhaltung von Schmerz beteiligt.

Bei einer akuten Schmerzempfindung wird über Schmerzrezeptoren z.B. an der Hautoberfläche eine Reizung wahrgenommen und über eine Schaltstelle im Rückenmark in das Gehirn geleitet, wo erst die Schmerzempfindung entsteht.

Bei chronischen Schmerzen hingegen nimmt die Bedeutung einer externen Reizung immer mehr ab, die Ursache für den Schmerz werden dann viel komplexer. Eine Ursache ist z.B. die fehlende Hemmung von Schmerzsignalen an das Gehirn: das Gehirn ist in der Lage Reizungen, die als ungefährlich eingestuft werden, an der Weiterleitung zu hindern. Ängstliche Selbstbeobachtung, Sorgen, ständiges Nachdenken über den Schmerz, Unruhe und Anspannung, Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit werden eher dazu führen, dass das Gehirn dazu neigt Reizungen als gefährlich einzustufen und somit nicht hemmt. Anstelle einer Gewöhnung an Reizungen kommt es zu einer Sensibilisierung, die Reizschwelle für Schmerzwahrnehmung sinkt und der Schmerz wird chronisch.

An diesen Punkt versucht auch die Psychotherapie das Schmerzempfinden zu modifizieren:

  • Negative, schmerzverstärkende Gedanken und ihr Einfluss auf die Schmerzwahrnehmung werden bewusst gemacht. Es wird versucht werden, sich von diesen Gedanken zu distanzieren oder auch hilfreichere Gedanken zu finden.
  • Ängstliche Aufmerksamkeit und ständige Beschäftigung mit dem Schmerz führt in die Chronifizierung. Dementsprechend ist jenes Verhalten zu identifizieren, das die Schmerzen immer wieder in den Mittelpunkt stellt.
  • Die subjektiven Argumente für Schonungsverhalten werden hinterfragt, und durch gezieltes körperliches Training auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft.
  • Entspannungstrainings, um in den Teufelskreis aus Schmerzen und Verspannungen einzugreifen.

Viele Klienten beschreiben ihre Leidensgeschichte als Folge von jahrelangen, ergebnislosen medizinische Abklärungen. Es kommt dann oft ein Punkt der Hoffnungslosigkeit und wenig Motivation für weitere Untersuchungen. In der Psychotherapie versucht man diesen Punkt auch etwas Positives abzugewinnen, indem man ihn die „kreative Hoffnungslosigkeit“ nennt. Bis zu diesem Zeitpunkt war der (verständliche) Zugang ein kämpferischer: die Ursache finden und den Schmerz besiegen. Das jahrelange Festhalten an diesem Zugang führt allerdings auch zu erhöhter Aufmerksamkeit auf den Schmerz, was wiederum die Chronifizierung fördert. Der Zustand der „kreativen Hoffnungslosigkeit“ bietet nun die Chance den Kampf aufzugeben, und zu akzeptieren, was scheinbar nicht zu ändern ist. Insgesamt wird es darum gehen, einen Umgang mit dem Schmerz zu finden, der es ermöglicht, vieles von dem wieder zu machen, was den Betroffenen wichtig und wertvoll ist.